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Vermutlich Überreste einer mittelalterlichen Stadtburg entdeckt

(V.li.) Andreas Bergmann (Fachdienst Tiefbau), Sabine Momm (Denkmalpflege), Stefan Schäfer (Stadtarchiv) sowie Dr. Christoph Döllerer (Archäomedes GmbH) am Fundort im östlichen Teil des oberen Schlossplatzes. Foto: Stadt HMÜ
(V.li.) Andreas Bergmann (Fachdienst Tiefbau), Sabine Momm (Denkmalpflege), Stefan Schäfer (Stadtarchiv) sowie Dr. Christoph Döllerer (Archäomedes GmbH) am Fundort im östlichen Teil des oberen Schlossplatzes. Foto: Stadt HMÜ

Auf dem oberen Schlossplatz in Hann. Münden haben jüngste archäologische Untersuchungen einen bemerkenswerten Fund zutage gefördert: In rund 60 Zentimetern Tiefe stieß das Grabungsteam auf massive Mauerzüge, die aller Wahrscheinlichkeit einer mittelalterlichen Stadtburg zuzuordnen sind. Die freigelegten Mauern erreichen eine Breite von etwa 1,5 Metern. Die Arbeiten werden von der Archäomedes GmbH unter der Leitung von Dr. Christoph Döllerer betreut, die im Auftrag der Stadt die archäologische Begleitung der laufenden Baumaßnahmen übernommen hat.

Die Fundstelle befindet sich im Bereich des östlichen Schlossflügels. Nach Einschätzung von Dr. Christoph Döllerer erweitert dieser Fund die Kenntnisse zur frühesten Bebauung des Areals um eine bedeutende Facette. Auch aus fachlicher Sicht stößt die Entdeckung auf großes Interesse. Tobias Uhlig vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege bezeichnete die Entdeckung als „sensationell“. Erstmals könnte es damit einen wissenschaftlich gesicherten Nachweis für eine Vorgängeranlage des heutigen Renaissanceschlosses geben.

Für Stadtarchivar Stefan Schäfer stellt der Fund ebenfalls einen Meilenstein dar. Er verweist darauf, dass Herzog Erich I. und seine Ehefrau Katharina von Sachsen im Jahr 1501 den Umbau einer damals bestehenden Burg zu einem repräsentativen Schloss veranlassten. Zwar sei in historischen Quellen eine mittelalterliche Burg erwähnt, bislang habe jedoch jede konkrete Information zur baulichen Gestalt gefehlt. Die Grabungen eröffneten nun die seltene Möglichkeit, zentrale Fragen zur Bau- und Stadtgeschichte zu klären. Neben den Mauerresten legen die Archäologen derzeit auch ein historisches Pflaster frei, das einst vermutlich den gesamten Platz bedeckte. Zudem wurden Fundamente hölzerner Arkadengänge entdeckt, die ursprünglich Teile der Schlossflügel strukturell miteinander verbanden und in die Pflasterung eingebettet waren. (Quelle: Stadt HMÜ)

Wir sprachen mit Stadtarchivar Stefan Schäfer über den außergewöhnlichen Fund:

Herr Schäfer, Sie sprechen von einem Meilenstein für die Stadtgeschichte. Was bedeuten die entdeckten Mauerzüge konkret für unser Verständnis der mittelalterlichen Burganlage?

Vieles über die Geschichte der Gründung unserer Stadt und ihrer planmäßigen Anlage basiert auf vergleichenden Grundlagen. In vielen Fällen haben sich im 12. und 13. Jahrhundert aus Burgen Stadtsiedlungen entwickelt. Es waren Landesherren, die so planmäßig eine Landesentwicklung vorantrieben und Städte gründeten oder privilegierten. Die ersten Erkenntnisse, über die Geländebeschaffenheit aber auch für die an unterschiedlichen Bereichen gefundenen Mauern sind erste Mosaiksteine einer sich aller Wahrscheinlichkeit in mehreren Bauphasen gliedernden Bebauung eines Burghügels. Das bis dato ungestörte Bodenschichten des Mittelalters unter dem vielfach überbauten und umgestalteten Schlossplatz anzufinden sind, war nicht zu erwarten.

Inwiefern verändern diese Funde das bisherige Bild der baulichen Entwicklung vom mittelalterlichen Burgstandort zum späteren Renaissanceschloss?

Was wir bislang offenkundig wussten ist, dass sich Herzog Erich I. und seine Frau Katharina von Sachsen im Jahre 1501 entschlossen, an der Stelle der „alten“ Burg einen sehr aufwändigen gotischen Schlossbau zu beginnen, dessen Fertigstellung sehr kostspielig war und mehr als ein Jahrzehnt dauerte. 1560 wurde dieser erste imposante Bau durch einen Brand schwer beschädigt und in weiten Bereichen nun im Stil der Renaissance neu aufgebaut. Im 16. Jahrhundert sollten beide Bauprojekte vor allem Macht und Glanz ausstrahlen. Wie die in weiten Teilen erneut überbaute Burg tatsächlich aussah, deren Steine weitestgehend für das Neubauprojekt verwendet wurden, wird auch nach der Grabung in weitestgehend nicht zu klären sein, da weder schriftliche Aufzeichnungen noch Abbildungen bekannt sind. Aber schon jetzt steht fest, dass die Mauern über das Maß des heutigen Schlossbaus hinausgehen. Während dem damaligen Ortsheimatpfleger Dr. Karl Brethauer nur die Feststellung blieb, dass beim Leitungsbau der heute wiederum maroden Abwasserleitungen der 1960er Jahre dicke Steine durch den Bagger an die Oberfläche befördert wurden, haben wir nun durch das Grabungsteam erstmals überhaupt die Chance, etwas über die Geschichte vor 1500 zu erfahren. Pläne und Aufzeichnungen zum Schlossplatz sind bislang nur ab dem 18. Jahrhundert bekannt.

Welche weiteren historischen Erkenntnisse erhoffen Sie sich nach Abschluss der archäologischen Analysen?

Hoffen kann man vieles. Bevor der Bagger sein Werk beginnt muss man den Archäologen die Möglichkeit geben, die Bodenfunde zu bergen, Erdschichten und Mauern zu dokumentieren. Danach käme reichlich Dokumentations- und Forschungsarbeit. Es handelt sich allerdings hierbei um eine baubegleitende Ausgrabung und nicht um eine sich über mehrere Jahre hinziehende Forschungsgrabung. Wenn ich einen Wunsch äußern dürfte: dass vor allem das Land Niedersachsen ein Interesse haben müsste, sich mit seinen fachlichen und finanziellen Kapazitäten an der anschließenden Forschungsarbeit zu beteiligen. Denn nur so kann mehr Wissen für uns alle geschaffen werden. An der nachfolgenden Vermittlung, etwa im Städtischen Museum, besteht größtes Interesse.